Obolus

Auch im Reich der Mythologie wurde mit klingender Münze bezahlt. Der Einheitsarif des Fährmanns Charon für eine Fahrt über den Styx war den alten Griechen genau bekannt: Das Ticket in den Hades kostete einen Obolus. Und weil die Verstorbenen keinen Geldbeutel mitnehmen konnten, legte man ihnen diesen Obolus vor der Bestattung unter die Zunge. Ausgerechnet dieser Totenritus hat der unscheinbaren Münze ein langes Leben beschert: Noch heute leisten wir unseren Obolus, wenn wir eine Gebühr, ein Trinkgeld, eine Spende entrichten.

Der Obolus, diese Silbermünze im antiken Griechenland, war ein Sechstel einer Drachme wert. Das griechische Wort obolós bezeichnete ursprünglich allerdings kein Geldstück, sondern vielmehr einen kleinen Bratspiess. Als man die Münzen noch nicht aus runden Metallplättchen schlug und noch nicht mit den Porträts der jeweiligen Herrscher versah, hatten sie eine einfache, spitze Form und wurden im Volksmund ganz einfach «Spiesse» – oboloí – genannt. Mit dem Obolus sprachlich eng verwandt ist denn auch der Obelisk, jene schlanke Spitzsäule, die dem nicht ganz so schlanken Gallier Obelix den Namen gab.

Übrigens: Wer zu einer Sache sein Scherflein beiträgt, bezahlt genau gleich viel wie einst Charons Passagiere. Ab dem 12. Jahrhundert war Obolus nämlich das lateinische Wort für den deutschen Scherf, ebenfalls eine kleine Silbermünze. Ein Scherf gleich ein Obolus: Aller Inflation zum Trotz (und zum Verdruss des Fährmanns) blieb der Tarif ins Jenseits über die Jahrhunderte stets derselbe. In einem barocken Gedicht über Charon steht zu lesen:

Itzt klagt der starcke Greis mit einer sauren Miene,
dass ihm die Überfahrt nicht einen Scherff verdiene.

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