Neurofinanz

Unser Hirn besitzt Zentren für Furcht, Zorn, Freude, Trauer, Vertrauen, Ekel, Überraschung oder Neugier – aber keines für Geld. Die Verhaltensökonomen, Hirnforscher und Psychologen der Neurofinanzforschung haben herausgefunden, dass Geldsachen nur unmassgeblich im präfrontalen Cortex entschieden werden, der für verstandesmässiges Überlegen und das Regulieren der Gefühle zuständig wäre, sondern viel stärker im limbischen System, dem Sitz von Triebhaftigkeit und Emotion. Kontostand und Börsenkurs werden unmittelbar übersetzt: Gewinn in Glück, Verlust in Schmerz. Einen Kursverlust kann unser Hirn dabei nicht von einem verstauchten Fuss unterscheiden. Es tut weh, und wir greifen zur Abwehr der Urzeit, Kampf oder Flucht.

Als erstes rufen wir das Programm «Kampf» ab: Wir sind frustriert und kühlen unser Mütchen mit einem erbosten Anruf bei der Bank. Die Prozedur «Flucht» dagegen ist Abwiegeln – am besten gar nicht hinsehen. Fällt der Kurs weiter und weiter, beginnt die Nebennierenrinde Stresshormone auszuschütten. Unser Hirn fällt in den Panikmodus – und Panik ist die Mutter aller Börsencrashs. Selbst bei einem Gewinn wird der Verstand ausgeschaltet: Registriert das Hirn nämlich einen Profit, will es ihn haben, hier und jetzt. Das Belohnungszentrum namens nucleus accumbens wird aktiv, und was noch lange Gewinne abgeworfen hätte, wird zu früh verkauft.

Deshalb, sagen Neurofinanzforscher, verdient der durchschnittliche Anleger auf die Dauer auch kein Geld: Unser steinzeitliches Hirn ist mit der Komplexität der Börse überfordert. Wenn’s um Geld geht, regiert nicht der Kopf, sondern der Bauch.