Bücherrad

Dies ist eine schöne künstliche Maschine, die sehr nützlich ist, weil man mit ihr in einer grossen Menge Bücher blättern kann, ohne sich von der Stelle zu bewegen.

So beschreibt der italienische Ingenieur Agostino Ramelli 1588 das von ihm erfundene Bücherrad. Diese Lesemaschine sieht ein bisschen aus wie ein Wasserrad für Bücher. Es besteht aus einem Holzgestell und zwei mannshohen Radscheiben. Dazwischen befinden sich acht Lesepulte, die von Zahnrädern so bewegt werden, dass die aufgeschlagenen Bücher ihre Neigung stets behalten und nicht zu Boden fallen. Auf diese Weise kann ein Leser durch einfaches Drehen zwischen verschiedenen Bänden und Textstellen hin und her springen – das Bücherrad gilt deshalb auch als eine Art Kindle des 16. Jahrhunderts.

Das Bücherrad wird im 700-Seiten-Wälzer mit dem Titel «Die verschiedenen und kunstvollen Maschinen des Capitano Agostino Ramelli» als einer von insgesamt 195 Apparaten beschrieben und abgebildet. Im Grunde war das Bücherrad unnötig kompliziert: Solche epizyklischen Getriebe waren bis dahin nur in astronomischen Uhren verbaut worden. Vermutlich auch deshalb hat Ramelli selbst nie ein solches Bücherrad gebaut, es ging ihm vor allem darum, sein mathematisches Genie unter Beweis zu stellen.

Ob es Bücherräder tatsächlich gegeben hat, ist nicht bekannt, doch aufwändige Nachbauten sind in einer ganzen Reihe europäischer Museen zu sehen.

Butterfield, Stewart

Es war 1999, da hatte der damals 26-jährige Philosoph Stewart Butterfield eine Wut im Bauch. Es war die Zeit, als man die Bytes noch einzeln durch die Leitung rieseln hörte, und Butterfield wartete mal wieder endlos auf das Laden einer Webseite. Ursache der epischen Ladezeiten war die immer schlampigere Internetprogrammierung, die immer schnellere Verbindungen erzwang, die wiederum noch schlampigeres Programmieren zuliessen. Ein Teufelskreis. Also schrieb Butterfield zusammen mit Freund Eric Costello einen Wettbewerb für gute Webseiten aus – welchen Inhalts, war egal. Hauptsache, sie wogen weniger als 5 Kilobytes. Das ist ungefähr die Datenmenge maschinengeschriebenen A4-Seite. Unmöglich? Weit gefehlt: Unter den Einsendungen fanden sich ein funktionsfähiges Schachspiel oder das kleinste Kunstmuseum der Welt.

Drei Jahre später, 2002, folgte Butterfields nächster Streich: ein noch nie dagewesenes Onlinegame, in dem die Spieler virtuelle Landschaften erkunden und miteinander chatten konnten. Das Game war noch in der Testphase, da fiel Butterfield auf, dass die Spieler vor allem eigene Fotos hochluden, um sie anderen zu zeigen. Butterfield roch Lunte, legte das Game auf Eis und entwickelte www.flickr.com. Flickr ist heute die wichtigste Foto-Plattform der Welt, mit mehr als 5 Milliarden hochgeladenen Bildern und Videos.

Nachdem er Flickr für geschätzte 35 Millionen Dollar an Yahoo verkauft hatte, begann sich der Flickr-Chef zu langweilen. Und heute, da Google, Facebook & Co. vollauf damit beschäftigt sind, immer noch grösser zu werden, fängt Butterfield mal wieder von vorn an. Sein liegen gebliebenes Game heisst ironisch «Glitch» – auf Deutsch Fehler oder Panne – und wird demnächst fertig. Vom Programmierer und Philosophen Stewart Butterfield wird noch so einiges zu hören sein.

CD

Die CD, obgleich im Zeitalter von mp3 und Internet schon oft totgesagt, ist nicht mehr wegzudenken. Allein 2007 wurden 450 Millionen Musik-CDs verkauft. Aneinandergereiht, würden sie eineinhalbmal rund um den Globus reichen.

Die silberne Scheibe hat eine erstaunliche Geschichte. Erfunden wurde die CD von zwei Konzernen: von Philips und von Sony. Beide forschten sie an Möglichkeiten herum, Bild und Ton digital aufzuzeichnen, und beide stiessen sie auf dasselbe Problem: Geplant war eine Laserdisc von 30 Zentimetern Durchmesser, ähnlich einer Schallplatte. Nur: Würde man diese Platte für Ton nutzen, fänden darauf über 13 Stunden Musik Platz. Sony war klar, dass dies die Musikindustrie auf den Kopf stellen würde. Also besann man sich auf das Erfolgsprodukt der Tonträgerindustrie: die Musikkassette. Die hatte eine Diagonale von 11,5 Zentimetern, und diesen Durchmesser sollte auch die neue CD haben.

Dabei gab es aber ein Problem. Der für das Projekt verantwortliche Sony-Vizepräsident Norio Ohga war ausgebildeter Opernsänger und glühender Verehrer Beethovens: Er verlangte, die neue CD sollte dessen neunte Sinfonie fassen können. Nur, welche Neunte genau? Die Techniker waren ratlos und hielten sich daher an die längste Aufnahme, die sie finden konnten – jene von Wilhelm Furtwängler vom 29. Juli 1951 in Bayreuth. Die dauerte, ohne Applaus, etwas mehr als 74 Minuten. Das aber hiess einen halben Zentimeter mehr, und so messen unsere CDs heute genau 12 Zentimeter.

Dichtung und Wahrheit, schrieb Goethe, und se non è vero è ben trovato, sagen die Italiener: Wenn’s denn schon nicht wahr ist, so ist’s wenigstens gut erfunden. In dieser Zeit der Schlagzeilen und News sind gut erzählte Geschichten allemal etwas wert.

Cloud computing

Fast, lieber Reinhard Mey: Wirklich grenzenlos ist die Freiheit nicht über, sondern vielmehr in den Wolken. Vor allem dann, wenn es um die Freiheit geht, mit Daten und mit Programmen zu hantieren, wo immer man gerade ist. Cloud computing nennt sich das. Und es ist, kurz gesagt, das Arbeiten am Computer mit Daten aus dem Netz.

Kaum jemand, der das noch nie erlebt hat: Die Festplatte macht keinen Mucks mehr, und die letzte Datensicherung datiert vom Mittelalter. Briefe, Bilder, Programme – alles weg. Dagegen hilft Fluchen (für die Seelenhygiene), ein neuer PC (für die Arbeit), nur gegen den Datenverlust ist kein Kraut gewachsen. Es sei denn, die lägen in den Wolken des Web.

Cloud computing kann bedeuten, dass man für E-Mail nur noch web-basierte Dienste nutzt wie Hotmail, GMX oder Google Mail, die gleichzeitig Mailprogramm und den nötigen Speicherplatz zur Verfügung stellen – kostenlos. Oder auch das Anbieten von Textverarbeitung, Tabellenkalkulation und Datenablage durch Google, multi-user-fähig und ebenfalls gratis. Der heimische Computer treibt dabei nur noch den Web-Browser an.

Vorteil: Die Software up-to-date zu halten, ist Sache des Anbieters, man spart Geld und Speicherplatz, und mögliche Computerabstürze bleiben folgenlos. Nachteil: Daten und Dienste lassen sich nur nutzen, wenn man online ist, Anbieter können Bankrott gehen, und namentlich Google wertet E-Mails aus, um kontextabhängige Werbung zu verkaufen.

In der Wolke muss die Freiheit der Daten wohl grenzenlos sein. Nur ist sie auch da nicht ganz ohne Schattenseiten.

Computermaus

Gäbe es sowas wie Computerkatzen, sie würden Logitech lieben. Das findige Unternehmen mit Sitz in der Nähe des waadtländischen Morges ist eben dabei, seine – halten Sie sich fest – Milliardste Computermaus auszuliefern. Eine Milliarde Mäuse, das heisst: Die Schweizer Firma hat bald für jeden siebten Menschen der Erde eine Maus hergestellt. Tatsächlich aber hat die überwiegende Mehrheit der Menschen noch nie einen Computer besessen. Und ich, der ich diesen Beitrag schreibe und anschliessend per Mausklick speichere, bin – privat und beruflich – mittlerweile schätzungsweise bei meiner zwanzigsten Maus angelangt.

Computermaus
Computermaus
So selbstverständlich war die Maus nicht immer. Ein PC in den 80er Jahren, der nur MS-DOS verstand, musste mühselig mittels Tastenkombinationen bedient werden. Die Programme von damals lieferten eng bedruckte Plastikschablonen mit, die man über die Tastatur legen musste, um auch nur annähernd eine Übersicht über die vielen Tastenbefehle zu haben.

Die erste Computermaus war da schon längst erfunden, vom amerikanischen Computertechniker Doug Engelbart und seinem Team, im Jahr 1963. Ihr Prototyp war ein Holzklotz mit Rädern und einem Schalter. Und Maus hiess er auch noch nicht, sondern vielmehr «X-Y-Positionsindikator für ein Displaysystem». Aber heute ist die Maus nicht mehr wegzudenken – es gibt sie in allen Farben, Grössen und Formen, meistens kabellos, mit zwei Tasten und einem Scrollrädchen. Und dann gibt es noch die, die es nicht gibt: Mäuse-Prototypen, die das Logitech-Labor nie verlassen haben – die Maus mit aufgesetztem Joystick, die Maus mit sieben Tasten und drei Wählrädern, die Maus mit integriertem Ventilator für verschwitzte Handflächen.

Nur die essbare Maus für naschhafte Computerkatzen, die gibt’s bis heute nicht.