Biedermeier

Biedermeier ist die Zeit zwischen Wiener Kongress 1815 und dem Revolutionsjahr 1848. Es sind Jahrzehnte der Unrast und der Armut im Gefolge der napoleonischen Kriege, die Europa regelrecht umgepflügt haben, und der elegante, historisierende Biedermeierstil ist Ausdruck der Flucht eines durchaus selbstbewussten, kunstsinnigen Bürgertums ins häusliche Familienidyll eines behaglichen Heims.

Der Name stammt tatsächlich aus der Kunst. Sein Ursprung ist die fiktive Figur des Gottlieb Biedermeier, anfänglich mit «ai», später dann mit «ei» geschrieben. Dieser Biedermeier war ein in seiner Freizeit dichtender Spiessbürger, dem

seine kleine Stube, sein enger Garten, sein unansehnlicher Flecken und das dürftige Los eines verachteten Dorfschulmeisters zu irdischer Glückseligkeit verhelfen.

Kurz: Biedermeier war der Inbegriff kleinbürgerlichen Miefs.

Erfunden haben ihn 1855 ein Jurist und ein Arzt, Ludwig Eichrodt und Adolf Kussmaul. Die beiden schrieben Gedichte für die Münchner Satirezeitschrift «Fliegende Blätter», in denen sie den Kleingeist der Zeit aufs Korn nahmen. Ihre Spottgedichte sind beissende Parodien auf die Pseudopoesie des realen Lehrers und Volksdichters Samuel Friedrich Sauter. Dessen Gedichte waren durchaus populär, aber kauzig und voller unfreiwilliger Komik.

Eichrodts und Kussmauls Satiren zeigten Wirkung, und ihr fiktiver Gottlieb Biedermeier begann sich zu verselbständigen. Ende des 19. Jahrhunderts wurde der Name erst zum Begriff der Kunst- und Architekturgeschichte, dann der Mode, und am Ende einer ganzen Epoche.

Bildschirmschoner

Mit den Kathodenstrahl- oder Plasmabildschirmen der Achtzigerjahre gab es ein Problem: Zeigten sie lange Zeit ein und dasselbe Bild an, brannte sich dieses ein. Das Phosphor der bestrahlten Pixel nutzte sich ab, was die fluoreszierende Schicht beschädigte und eine Art dauerhaftes Phantombild hinterliess.

1983 wurden daher erste «Screensaver» programmiert, die dieses Einbrennen verhinderten und dazu die Daten mit einem Passwort schützten. Blieb der Computer eine Zeitlang unbenutzt, aktivierten sich diese Bildschirmschoner und begannen, kleine Animationen über den Bildschirm zu bewegen. 1989 kam die beliebte Sammlung von Bildschirmschonern namens «After Dark» auf den Markt. Die User hatten eine ganze Reihe von Sujets zur Auswahl, deren wohl bekanntestes die surrealen «Flying Toasters» waren: Von oben rechts glitten zufällig verteilte Toaster elegant flügelschlagend nach unten, dazwischen flogen appetitlich gebräunte Toastbrotscheiben. «Ich ging ziellos durchs Haus und in die Küche», erinnert sich Entwickler Jack Eastman, der sich damals meist nachts das Programmieren beibrachte.

In der Küche sah ich den Toaster stehen, und mein übermüdetes Hirn brachte daran Flügel an.

Die «Flying Toasters» wurden ein Renner, und Eastman bestand darauf, dass sich nicht nur Anzahl und Tempo von Toast und Brot einstellen liess, sondern sogar, wie beim richtigen Toaster, der Bräunungsgrad.

Heutige Bildschirme brauchen in der Regel keine Bildschirmschoner mehr. Für Nostalgiker aber gibt’s die fliegenden Toaster noch immer – als Progrämmchen wie ehedem, oder aber als Anleitung zum Selberprogrammieren.

Blackberry

Eigentlich war es ja einfach ein erster Arbeitstag, wie wir ihn alle schon erlebt haben. Nur dass wir nicht Barack Obama heissen und nicht den Job des US-Präsidenten bekommen haben.

Und darum schrieb die Weltpresse auch nicht über uns und unser Handy, sondern über Barack Obama und sein geliebtes Blackberry. Oder besser: über sein früheres Blackberry. Für nicht Eingeweihte: Blackberry ist der Hersteller von Handys der Spitzenklasse – mit E-Mail, Internet und vielem mehr.

Doch Barack Obama musste sich von seinem Blackberry verabschieden. Der Entzug wird Obama schwer getroffen haben – die amerikanischen Medien hatten schon lange über eine veritable Blackberry-Sucht des neuen Präsidenten spekuliert – aber er musste sein.

Da ist einmal die Sicherheit: Wenn es Hacker bereits schaffen, in die Computer der Nasa, der US Air Force, ja selbst des Weissen Hauses einzudringen, dann ist ein Blackberry einfach nicht sicher genug. Aber da ist noch ein anderer Grund: ein Gesetz aus dem Jahr 1978, der Presidential Records Act. Dieses Gesetz schreibt vor, dass jedes Fitzelchen Korrespondenz eines amerikanischen Präsidenten archiviert und für die Nachwelt aufgehoben werden muss. Mit dem Handy an Archivaren vorbeigeschmuggelte E-Mails, und seien sie noch so privat, sind Obama also sogar per Gesetz verboten.

Schon seinem Vorgänger, George W. Bush, kam der Presidential Records Act in die Quere. Vor seinem Amtsantritt soll sich Bush von seinen Mailfreunden verabschiedet haben mit den Worten: «Das macht mich traurig. Ich habe mich mit jedem von Euch gern unterhalten.» Sein Vorgänger wiederum, Bill Clinton, hatte damit allerdings kein Problem: Clinton benutzte im Weissen Haus nämlich überhaupt keinen Computer.

Blog

Alle haben einen – Bundesrat Moritz Leuenberger hat einen, Blogging Tom hat auch einen. Sie vermehren sich wie die Karnickel: die sogenannten «Blogs». 1994 standen Blogs noch in den Sternen, und heute gibt’s schon 71 Millionen davon. Nur: Was ist ein Blog?

Blogs sind tagesaktuelle Webseiten, ganz persönliche sogar. Sie enthalten meist täglich wechselnde Beiträge, die aus Texten, Bildern, Hörproben und Videos bestehen können, und aus Links, die zu besonders bemerkenswerten Stellen im Internet führen. Blogs kosten nichts – was man dazu braucht, steht kostenlos im Internet -, und Blogs werden gern als Möglichkeit des kleinen Mannes gehandelt, sich und seinen Anliegen wirkungsvoll Gehör zu verschaffen. Enthusiasten sprechen schon vom citizen journalism, vom Bürgerjournalismus. Allerdings: Blogs sind meist anonym – ihre Verfasser tragen klingende Pseudonyme, ein aussagekräftiges Impressum findet sich selten.

Wir aber, das potenzielle Publikum, stolpern erst einmal über das Wort: Der Blog? das Blog? Der Duden ist keine rechte Hilfe – er sagt nämlich: Sowohl als auch. Beides ist richtig. Was hilft, ist die Wortgeschichte: Das Wort Blog ist ein Zusammenzug aus Web, dem weltweiten Datennetz, und Log, dem Geschwindigkeitsmesser aus der Schiffahrt.

Tatsächlich waren Blogs ursprünglich digitale Logbücher von Menschen, die nächtelang das Web bereisten und ihren Fans ihre Schätze zeigten – Bemerkenswertes und Nichtssagendes, Schönes und Skurriles. Auf ihren Blogs veröffentlichten diese virtuellen Seefahrer ihre kurzen Texte, ihre Bilder und ihre Links, und ihr Publikum sah, las und klickte staunend.

Wo sich Öffentlichkeit findet (auch wenn’s nur eine virtuelle ist), da sind auch Narzissmus und Exhibitionismus nicht fern: Immer mehr wurden die Blogs auch zu öffentlichen Tagebüchern. Dieser pikante Gegensatz versprach und verspricht Aufmerksamkeit, und so zeichnet Blogs vor allem eines aus: das Buhlen um ein Publikum.

Nun: Massenmedien gibt’s ja nicht erst seit gestern – Flugblätter mit den neuesten Nachrichten tauchten bereits im 15. Jahrhundert auf. Und seit da suchen sie ein lesendes Publikum. Die Frage sei daher erlaubt: Heute, da Zeitungen, Radio, Fernsehen und Internet gelesen, gesehen und gehört sein wollen, kommen nun noch 71 Millionen Blogs hinzu – wer um Himmels willen soll das alles lesen?

Am Ende ist es mit dem Sprachrohr des kleinen Mannes wohl doch nicht so weit her. Wer Bundesrat Moritz Leuenberger ist, wussten wir schon vor der Erfindung des Blogs. Und wer Blogging Tom ist, wissen wir noch immer nicht.

Browser

Schemengleich tauchte es am Medienhorizont auf: das Internet. Dreizehn Jahre ist es her, da liess ich mich – damals schon Computerfreak – von einem noch kundigeren Kollegen ins Bild setzen. Er, gestandener Auslandskorrespondent, erklärte mir geduldig, was es mit HTML, mit Suchmaschinen, mit Protokollen, mit Browsern und Webservern auf sich hatte. Am Ende schwirrte mir der Kopf, und ich beschloss, auf diesen Unfug zu verzichten.

Browser
Klar: Dieser Beschluss hatte nicht lange Bestand. Das Web ist unser täglich Brot, und der Griff zur Suchmaschine, die heute Google heisst, ist um ein Vielfaches häufiger als jener zur Tageszeitung. Dass uns die Technik egal sein kann, liegt an einem Computerprogramm namens Browser. Ein Browser ist wörtlich «ein Stöberer» – er ist das Programm, das uns das Web auf den Bildschirm holt: als Text, als Link, als Bild, als Musik, als Film. Das ist alles andere als trivial, denn das Web besteht aus verschiedensten Dateiformaten, Dokumenten, Datensprachen, und der Browser sorgt dafür, dass am Ende alles blitzschnell und möglichst einfach nutzbar dargestellt wird.

Der allererste Browser wurde am 21. April 1993 veröffentlicht. Er hiess Mosaic 1.0 und stammte aus dem National Center for Supercomputing Applications der Universität von Illinois. Heute gibt es Dutzende von Browsern, allesamt kostenlos – vom grossen blauen «e» von Microsoft bis hin zu Lynx, der lediglich Text darstellt. Bereits werden die ersten Kleincomputer entwickelt, die gar keine Software mehr benötigen – ausser einem kleinen Betriebssystem und, natürlich, einem Browser.

Der Browser ist nichts weniger als das Fenster zum Universum des Web. So gesehen ist er um nichts weniger revolutionär als anno 1611 Johannes Keplers erstes Teleskop.