Blaumachen

In vielen Handwerksbetrieben war der Montag traditionell der Tag, an dem nur mit halber Kraft oder gar nicht gearbeitet wurde. Dass man vom «blauen Montag» sprach, geht aber auf das Handwerk der Färber zurück. Am Sonntag tauchten die Färbergesellen Leinen oder Wolle in eine Lösung aus Färberwaid, einer Pflanze aus der Familie der Kreuzblütler. Das Kraut wird bis zu eineinhalb Meter hoch und enthält sogenanntes Indican. Man tat dies am Sonntag, damit die Farbe in Ruhe einziehen konnte; am Montag wurde der Stoff dann zum Trocken aufgehängt. An der Luft begann das Indican zu oxidieren; das Tuch wurde gelb, grün und schliesslich indigoblau. Das dauerte Stunden, und während dieser Zeit hatten die Färber nichts zu tun. Sie vertrieben sich die Zeit mit Essen und Trinken – von daher kommt das Sprichwort

Blauer Montag, volle Kröpfe, leere Beutel, tolle Köpfe.

Aus diesem «blauen Montag», so nimmt man an, wurde unser Ausdruck «blaumachen».

Blau machte lange Zeit auch die katholische Kirche: Je nach Fest und Zeit im Kirchenjahr haben die liturgischen Gewänder und Tücher, die sogenannten Paramente, eine andere Farbe – Weiss als Zeichen für Reinheit etwa an Ostern und Weihnachten. Auch Blau spielte eine wichtige Rolle, als Farbe der heiligen Maria, bis Papst Pius V 1570 Blau aus der liturgischen Palette strich. Blau wird heute nur noch in der anglikanischen Kirche getragen, und auch in Spanien und Südamerika: Hier gilt eine Ausnahmeregelung – für Marienfeste und an Marienwallfahrtsorten.

Blockchain

Die Blockchain (auf Deutsch «Blockkette») ist das Herzstück der Kryptowährung namens Bitcoin. Sie ist eine Datenbank, in der Transaktionen – Betrag X von Konto A auf Konto B – in codierter Form aufgelistet werden. Diese Datenbank wird laufend aktualisiert; neue Überweisungen werden in einer immer länger werdenden Kette von Datenblöcken gespeichert. Die bekannteste Blockchain, die von Bitcoin, ist damit nichts anderes als ein fortlaufendes öffentliches Kassenbuch, in das jede einzelne Zahlung jedes einzelnen Teilnehmers verzeichnet wird, so dass darin alle Transaktionen enthalten sind, die jemals ausgeführt wurden.

Heute liegen Bankdaten auf Serversystemen, die von einem ganzen Arsenal von Sicherheitsmassnahmen und Firewalls vor unbefugten Zugriffen geschützt werden. Schafft es nun ein Gauner trotz allem, diesen Datenpanzer zu knacken, kann er die Daten manipulieren. Die Blockchain-Datenbank dagegen ist nicht auf einem einzelnen Server gespeichert, sondern vielmehr lokal auf den Abertausenden von Nutzercomputern, die permanent über das Web synchronisiert werden. Die auf jedem einzelnen dieser Computer gespeicherte ‹Blockchain› ist eine exakte Kopie aller anderen. Schafft es ein Räuber, in einer dieser privaten Computer einzudringen, um die Daten zu verändern, wird dies dank der mathematischen Sicherheitsfunktionen sofort erkannt und die Manipulation sang- und klanglos überschrieben.

Öffentlichkeit, Dezentralität und ausgeklügelte Mathematik: Die elektronische Urkunde namens Blockchain gilt als enorm sicher. Die Wahrscheinlichkeit eines Versagens ist um vieles kleiner als ein Zusammenbruch von Banken oder Grundbuchämtern, auf die wir uns heute verlassen, wenn es um unser Hab und Gut geht.

Bus

Der pensionierte Oberst Stanislas Baudry ist ein gewiefter Geschäftsmann. In einem Dorf ausserhalb von Nantes besitzt er eine Mühle, die von Dampfmaschinen angetrieben wird. Das heisse Wasser seiner Maschinen, so denkt er sich, müsste sich doch weiternutzen lassen, und so lässt er gleich nebenan ein öffentliches Bad bauen. Bloss, die Stadt ist weit, und die Badegäste bleiben aus. Also lässt Baudry zu festen Zeiten Pferdekutschen fahren – von Nantes zu seinem Bad. Tatsächlich: Bei der Abfahrt sind die Wagen rappelvoll, doch beim Badehaus kommen sie leer an: Die Menschen fahren mit den Kutschen in der Stadt umher und steigen nach Belieben wieder aus. Unternehmer Baudry versteht, schliesst kurzerhand Bad und Mühle und eröffnet 1825 in der Stadt ein öffentliches Kutschennetz.

Bleibt die Sache mit dem Namen. Am Anfang heisst die Firma «Entreprise générale des dames blanches», benannt nach der damals sehr populären Oper «La dame blanche» des Komponisten François-Adrien Boieldieu. Die weissen Damen verheissen zwar reichlich Glamour, sind aber irreführend, weil der Kutschendienst ja für alle gedacht ist, egal welchen Geschlechts oder welcher Schicht. Also werden die Kutschen umbemalt und tragen neu den lateinischen Namen «Omnibus», auf Deutsch «für alle». Der Betrieb floriert, und Baudry expandiert nach Bordeaux und Paris. Bald heissen öffentliche Kutschen überall «Omnibus», später «Autobus» – und heute, kurz und bündig, einfach «Bus».

Diderot-Effekt

Denis Diderot, der Pariser Aufklärer und Philosoph, war gelegentlich bei Marie Thérèse Geoffrin zu Gast, die für ihre literarischen Salons bekannt war, aber eben auch für ihre zudringlichen Gefälligkeiten. Diderot hatte Madame Geoffrin einen Gefallen getan, und sie schenkte ihm dafür einen neuen scharlachroten Hausrock. Das war fatal:

Mein alter Rock passte mir so gut, dass ich mich ausnahm wie von Künstlerhand gemalt,

schrieb Diderot 1768 in einem Essay:

Der neue, steif und förmlich, macht mich zur Schneiderpuppe. Ich sehe aus wie ein reicher Tagedieb.

Das Geschenk setzte einen Teufelskreis in Gang. Die schäbigen Möbel hatten wunderbar zum verschlissenen Rock gepasst. Doch nun verspürte Diderot das zwanghafte Bedürfnis, alte Möbel, die nicht mehr passten, durch bessere zu ersetzen – den Rohrstuhl durch einen Maroquinsessel, das schäbige Pult durch einen eleganten Sekretär, das schlichte Bücherbrett durch einen kostbaren Intarsienschrank.

Der kanadische Anthropologe Grant McCracken nannte dieses psychologische Phänomen 1990 den «Diderot-Effekt»: Der Kauf eines neuen Gegenstandes stört das zuvor harmonische Gesamtbild und zwingt zur Korrektur. Ein passendes Folgeprodukt wird angeschafft, das wieder zu stören beginnt und eine weitere Korrektur verlangt – eine Kettenreaktion des Konsums, die sich Marketing und Werbung mit immer noch begehrenswerteren Produkten zunutze machen und der man sich nur schwer entziehen kann. Es sei denn, man kommt wie Diderot zum Schluss:

Bewahrt eure alten Freunde. Mein Beispiel soll euch lehren: Die Armut hat ihre Freiheiten, der Reichtum seine Zwänge.

Feilschen

Ein Haus, eine Firma: Erfolgreiche Geschäftsleute feilschen, was das Zeug hält. Wie genau sie das anstellen, haben die Forscher Petri Hukkanen und Matti Keloharju wissenschaftlich untersucht. Ihr Rat: Bieten Sie niemals 1 Million oder 20 pro Aktie. Es zeigt sich nämlich, dass Ihr Partner einen niedrigeren Preis viel eher akzeptiert, wenn Sie ihm ein ganz präzises Angebot machen. Der Grund: Ein Geschäftspartner, mit genauen Zahlen konfrontiert, wird annehmen, dass Ihr Angebot auf Sachkenntnis und Berechnung beruht. Bieten Sie dagegen einen runden Betrag, wird man Ihnen unterstellen, vom Geschäft bloss eine vage Ahnung zu haben und bei harten Verhandlungen rasch in die Knie zu gehen.

Dass runde Zahlen beim Feilschen keine gute Sache sind, hatten Sozialpsychologen schon länger vermutet. Die beiden Ökonomen Hukkanen und Keloharju wollten es nun genau wissen. Sie nahmen Firmenübernahmen in den USA unter die Lupe, rund 2000 an der Zahl in der Zeit von 1985 bis 2012. Sie verglichen das allererste Angebot mit dem Endpreis – das verblüffende Ergebnis: Fast die Hälfte der Einstiegsgebote endete mit einer Doppelnull nach dem Komma. Diese runden Zahlen waren schlecht fürs Geschäft: Auf 5 Dollar gerundete Erstgebote führten nur selten zum Handschlag; in der Regel stieg der Preis im Lauf der Verhandlungen deutlich an. Bei exakten Beträgen dagegen – Erstgeboten, die sich auch durch 25 Cents nicht teilen liessen –, stieg der Preis im Durchschnitt nur noch um 6 Prozent.

Also: Legen Sie dem Gebrauchtwagenhändler nicht 20 000, sondern vielmehr 16 730 Franken auf den Tisch. Sie werden in Ihrem Traumauto wegfahren – und haben erst noch 3270 Franken gespart.