Mastermind

1970 hatte der Israeli Marco Meirovitz in Paris eine Idee. Der Telekomexperte ersann ein kleines Spiel mit bunten Stöpseln und einem gelochten Brett. Die Regeln waren simpel: Ein Spieler steckt am Ende des Spielbretts eine beliebige Folge von vier Stöpseln, die er aus sechs Farben auswählt. Der zweite Spieler versucht, den Code zu knacken, indem er Runde für Runde Kombinationen steckt, auf die ihm sein Gegner antwortet – mit je einem schwarzen Stecker für eine richtig erratene Position und einem weissen für eine richtig geratene Farbe am falschen Platz.

Mastermind
Meirovitz ging mit seiner Idee hausieren, von einem Spielehersteller zum nächsten. Alle gaben sie ihm einen Korb: Wahlweise zu schwierig oder zu simpel, in jedem Fall zu spartanisch, lautete das Urteil. Aber Meirovitz war hartnäckig. Auf eigene Faust fuhr er nach Nürnberg und stellte sein Spiel an der dortigen Fachmesse vor. Und hatte Glück: Unter den Besuchern befand sich Edward Jones-Fenleigh, und der war Chef der kleinen britischen Firma Invicta Plastics. Die beiden wurden rasch handelseinig: Invicta kaufte alle Rechte und brachte das Stöpselspiel schon ein Jahr später auf den Markt – unter dem Titel Mastermind, in Deutschland Superhirn oder in der DDR Variablo, gefertigt im VEB Berlinplast.

Wo Konzentration und Logik gefordert ist, sind Mathematiker nicht weit. Donald Knuth etwa, Professor in Stanford, legte eine bestechende Spielstrategie vor und wies nach, dass sich jeder beliebige Farbcode in höchstens fünf Zügen knacken lässt.

Dass sich der findige Israeli von skeptischen Herstellern nicht hatte bremsen lassen, war ein Glück: 1973 wurde Mastermind britisches Spiel des Jahres, -zig Millionen Exemplare wurden bis heute verkauft, und im Internet finden sich Hunderte spielbarer Masterminds. Über Meirovitz‘ Stöpseln grübelt auch heute noch die halbe Welt.

Monopoly

Mit vier bis zum teuren Zürcher Paradeplatz, oder – Mist! – mit sechs übers Ziel hinaus zum billigen Kornplatz in Chur? «Monopoly» machte Generationen mit den Regeln der freien Marktwirtschaft vertraut. Die Regeln sind altbekannt: Es gilt, Boden aufzukaufen und seine Mitspieler in den Ruin zu treiben.

Doch darum ging es nicht nur auf, sondern auch neben dem Spielbrett. Monopoly geschaffen hat angeblich 1930 der Erfinder Charles Darrow, ebenso angeblich als Zeitvertreib während dessen Arbeitslosigkeit in den Zeiten der Weltwirtschaftskrise. Erste Monopoly-Ausgaben entstanden in Handarbeit, die Darrow an Freunde und Nachbarn verkaufte. 1935 kaufte die Spielefirma Parker Brothers die Rechte am Spiel, das sie noch ein Jahr zuvor nicht hatte haben wollen, wegen «52 grundsätzlichen Fehlern». So grundsätzlich konnten die Fehler nicht gewesen sein, denn Monopoly wurde seinem Namen gerecht – und zum Bestseller.

Das wiederum rief den Wirtschaftsprofessor Ralph Anspach auf den Plan, der «Anti-Monopoly» entwickelte, mit umgekehrten Regeln: Das Spiel wird anfangs von Trusts beherrscht, die Spieler sammeln Anerkennungspunkte und schaffen allmählich eine freie Marktwirtschaft.

Es kam, wie es kommen musste – und Parker Brothers und Anspach fanden sich vor dem Supreme Court in Washington wieder. Doch die höchsten Richter der USA liessen Parker abblitzen und befanden, dass Monopoly gar kein Original sei, sondern vielmehr ein Plagiat. Das Original hat Jahrgang 1904, war von Hand gezeichnet, trägt die US-Patentnummer 748 626 und stammt von einer jungen, findigen Quäkerin aus Virginia. Es hiess «The Landlord’s Game».

Prügelknabe

Es ist ein Kreuz mit der Gerechtigkeit, und das weiss der ganz besonders gut, dessen Pflicht und Schuldigkeit es ist, Unrecht buchstäblich am eigenen Leib zu erfahren: der Prügelknabe.

Was heute nur noch als Metapher durch die Gazetten geistert, war vor noch nicht allzu langer Zeit nämlich peinvolle Realität. Der Prügelknabe, an Englands Höfen whipping boy genannt, war ein Jugendlicher niederen Standes, der anstelle des feudalen Nachwuchses bestraft wurde, sprich: der in aller Unschuld jene Tracht Prügel einzustecken hatte, die man nicht dem Prinzen verabreichen konnte, der die Sache ausgefressen hatte. Der Prügelknabe wurde oft zusammen mit dem jungen Adligen aufgezogen und ging mit ihm durch dick und dünn. Indem man seinen Freund verprügelte, strafte man den fürstlichen Rabauken zumindest indirekt.

Denn seine Hochwohlgeboren war unantastbar. Könige waren Herrscher von Gottes Gnaden, ja mehr noch: «Könige sind nicht nur Gottes Statthalter auf Erden, Gott selbst betrachtet sie als Götter», verkündete Englands König Jakob I, Sohn der Maria Stuart, 1609 vor dem Parlament. Unvorstellbar, Hand an einen jungen Gott zu legen.

In unseren egalitären Ohren klingt das Schicksal des Prügelknaben nach schreiendem Unrecht. An den Höfen des 15. und 16. Jahrhunderts dagegen war es kein allzu hartes Los: Die Jugendlichen wuchsen statt auf der Strasse in fürstlichen Verhältnissen auf, genossen eine gute Bildung und machten später nicht selten ritterliche Karriere im Dienst ihrer blaublütigen Freunde.

Bis auf diesen kleinen, unfeinen Unterschied: Für jeden gemeinsamen Bubenstreich hatten sie ganz allein den Kopf hinzuhalten.

Quengelware

Bonbons und Schokoriegel im Gestell bei der Kasse heissen deshalb «Quengelware», weil sie Kindern regelmässig die Tränen in die Augen und Eltern die Zornesröte ins Gesicht treiben. Weil Kindertränen aber ziemlich gute Argumente sind, wird Quengelware überdurchschnittlich oft gekauft. Und deshalb wird sie ganz bewusst in der sogenannten «Bückzone» platziert, wo sie Kindern förmlich ins Auge fällt. Dabei liegt die Auslage meistens auf der rechten Seite, weil die meisten Menschen Rechtshänder sind und eher Waren betrachten, die rechts ausliegen – aus diesem Grund finden sich in Supermärkten rechts die gewinnträchtigeren Waren, links dagegen die alltagsnotwendigen. An der Kasse schliesslich wäre eine Platzierung längs des Gangs ein Hindernis, weil so die Auslage nur aus dem Augenwinkel sichtbar wäre. Deshalb wird Quengelware quer zur Blickrichtung ausgelegt – und ist damit unübersehbar. Manche Supermärkte gehen sogar noch einen Schritt weiter: Sie vermeiden eine Präsentation in geordneten Reihen und schütten die Quengelware statt dessen in einen Regalkorb – die scheinbar nachlässig ausgelegten Artikel, absichtlich in kleine Hüllen abgepackt, suggerieren dabei einen besonders tiefen Preis, was die Bereitschaft genervter Eltern erhöht, dem Betteln der lieben Kleinen nachzugeben.

Das Prinzip «Quengelware» ist unter Beschuss geraten, weil Süssigkeiten für kindliches Übergewicht mitverantwortlich sind. Nachdem die Stadt Berkeley in Kalifornien Süssigkeiten bereits ganz aus dem Kassenbereich verbannt hat, soll das strategische Platzieren von Quengelware in Grossbritannien noch in diesem Jahr verboten werden.

Rubikwürfel

Alea iacta est.

«Der Würfel ist gefallen» – an jenes legendäre Zitat Julius Cäsars wird auch einer gedacht haben, der mit Macht und Politik nichts, dafür mit Design und Architektur ganz viel im Sinn hatte: Ernö Rubik, Jahrgang 1944 und Dozent an der Hochschule für industrielle Kunst in Budapest, ersann den Rubikwürfel, um das räumliche Vorstellungsvermögen seiner Studenten zu trainieren.

Der Rubikwürfel hat eine Kantenlänge von etwas weniger als sechs Zentimetern, besteht aus insgesamt 26 Teilwürfeln, deren Flächen mit farbiger Folie beklebt sind und deren Anordnung jede Menge Kopfzerbrechen bereitet. Denn alle drei Würfelebenen lassen sich in jeder Raumachse drehen, was eine immense Zahl an Kombinationen zulässt – insgesamt, so rechnen Mathematiker vor, gibt es mehr als 43 Trillionen Möglichkeiten, den bunten Würfel zu verdrehen. Nur eine einzige allerdings ist die richtige – die nämlich, die am Ende auf jeder Seite eine einfarbige Fläche zeigt.

Der Würfel, 1975 patentiert und heute fast so berühmt wie Cäsars Diktum, hielt bald Einzug in den kapitalistischen Westen. 1981 erreichte die Würfelmanie ihren Höhepunkt. 160 Millionen Würfel – aus britischer und amerikanischer Produktion, aber auch in Form fernöstlicher Billigprodukte – wurden schon damals verdreht und verdreht und verdreht, mit endloser Geduld und in der Regel ohne Erfolg. Bis das Nachrichtenmagazin «Der Spiegel» ein Einsehen hatte und in Ausgabe Nummer 4/1981 eine Komplettlösung veröffentlichte.

Das tat dem Zauber des Würfels keinen Abbruch: Die jüngsten Rubikwürfel drehen sich im Web und auf dem iPhone, und an offiziellen Meisterschaften im so genannten speedcubing messen sich die Besten. Weltrekordhalter ist der Holländer Erik Akkersdijk – 2008 schaffte er den Rubikwürfel in 7,08 Sekunden.