Riesenrad

Chicago, 1892. Die Vorbereitungen für die Weltausstellung laufen auf Hochtouren. Der Eisenbahningenieur George Washington Gale Ferris aus Illinois hat einen kühnen Plan: Seine Erfindung soll das bekannteste Bauwerk der Zeit, den Pariser Eiffelturm, in den Schatten stellen. Einen Turm hat Ferris nicht im Sinn. Er denkt an ein Rad, eine Art «hochkant gestelltes Karussell», über 80 Meter hoch, mit 36 Gondeln, gross wie Eisenbahnwaggons, die über 2000 Passagiere aufnehmen können.

Vom Organisationskomitee wird der schlaksige Ingenieur erst einmal ausgelacht: Zu fragil, zu unsicher, viel zu teuer. Doch Ferris ist zäh. Wieder und wieder spricht er vor, und als dem Komitee am Ende die Zeit davonläuft – eine Attraktion à la Eiffelturm ist nicht in Sicht –, erhält Ferris grünes Licht.

In den wenigen Monaten bis zur Eröffnung begeistert Ferris Investoren, gründet die «Ferris Wheel Company» und baut zusammen mit neun Stahlbaufirmen das grösste Rad seit dessen Erfindung. Als die Weltausstellung 1893 ihre Tore öffnet, dreht sich das Riesenrad, von Dampfmaschinen angetrieben, um eine Stahlachse, die allein 56 Tonnen wiegt. Die Presse bejubelt den Triumph amerikanischer Ingenieurskunst, Millionen Besucher steigen mit dem Riesenrad in luftige Höhen.

Doch dann geht es bergab. Im November ist die Weltausstellung zu Ende, das Rad wird abgebaut und eingemottet. Ferris, gesundheitlich angeschlagen, sucht fieberhaft nach neuen Möglichkeiten. Vergeblich. Ein Börsencrash lähmt die Wirtschaft, Patentjäger bauen das Rad in grossem Stil nach, Ferris stirbt, erst 37-jährig und vereinsamt, an Typhus. Den Ruhm des Erfinders aber kann ihm keiner nehmen: Auf Englisch heisst «Riesenrad» bis heute Ferris wheel.

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