Tipp-ex

Am Anfang war der Tippfehler. Der Radiergummi, der ihn ungeschehen machen sollte, war hart und rauh. Die brachiale Alternative war ein scharfes Taschenmesser, und das Ergebnis konnte durchaus schon mal ein Loch im Papier sein.

Tipp-ex
Die texanische Banksekretärin Bette Nesmith Graham vertippte sich – und dachte nach. «Ein Künstler korrigiert nie, indem er ausradiert», sagte sie später: «Er übermalt. Also habe ich beschlossen, zu tun, was Künstler tun.» Ihr Rezept war eine weisse, wasserlösliche Temperafarbe, mit der sie den Tippfehler bestrich und nach dem Trocknen überschrieb. Jahrelang hielt sie ihre Erfindung geheim und tüftelte weiter, bis sie ihre Mixtur 1956 als «Mistake Out» und später als «Liquid Paper» zu vermarkten begann, als Flüssigpapier. Den Nachteil – der Lack musste immer erst trocknen – machte drei Jahre später der Deutsche Wolfgang Dabisch wett, mit seinen pulverbeschichteten Papierstreifen namens «Tipp-ex».

Der Nutzen war enorm – nicht nur in den Büros dieser Welt, sondern auch in den Laboren der Verhaltensbiologen. Forscher der Goethe-Universität in Frankfurt am Main setzten Vögel in Käfige, deren Boden sie sorgfältig mit «Tipp-ex»-Papierchen beklebt hatten. Beim Hochspringen hinterliessen die Vögel deutliche Kratzspuren – im Herbst nach Norden hin, weil sie nach Süden aufbrechen wollten, im Frühling genau umgekehrt.

Heute, im Zeitalter der Backspace-Taste, ist «Tipp-ex» nur noch eine Erinnerung an beschwerliche Zeiten. Unverzagte Maschinenschreiber kaufen den Lack der Bette Nesmith Graham immer noch: im Fläschchen zu 20 Milliliter und statt dem alten Pinsel mit dem praktischen Auftragschwämmchen.

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