Fokussierungs-Illusion

Sind Menschen, die im sonnigen Kalifornien leben, glücklicher? Diese Frage stellten 1998 zwei amerikanische Forscher, David Schkade und Daniel Kahneman, 2000 amerikanischen Studentinnen und Studenten an Universitäten in Michigan und Ohio und in Kalifornien. Die Antwort lautete: Ja, Menschen in Kalifornien sind glücklicher, wegen der atemberaubenden Natur, dem Kulturangebot und dem milden Klima. Der Haken aber war der: Fragte man nach der eigenen aktuellen Lebenszufriedenheit, ergaben sich keine Unterschiede mehr. Die Studierenden in Kalifornien bezeichneten sich im Vergleich zu ihren Kommilitonen im Mittelwesten als kein bisschen glücklicher. Das grosse Glück an der sonnigen Westküste ist ein Ergebnis der sogenannten focusing illusion.

Die Fokussierungs-Illusion ist sozusagen die wissenschaftlich fundierte Version des Märchens vom «Hans im Glück»: Als Lohn für sieben lange Jahre Arbeit erhält Hans einen grossen Klumpen Gold. Den zu tragen, ist beschwerlich, weshalb sich Hans im Tausch dafür erst ein Pferd aufschwatzen lässt, dafür dann eine Kuh, ein Schwein, eine Gans, am Ende einen Schleifstein. Jedesmal erliegt Hans der Fokussierungs-Illusion und begehrt das, was er gerade nicht hat.

Wenn wir uns auf deutlich erkennbare Unterschiede konzentrieren, auf Geld oder Luxusgüter, dann werden wir leicht Opfer einer kognitiven Verzerrung. Was wir nicht besitzen, erscheint uns begehrenswerter, weil wir damit eine gesteigerte Lebenszufriedenheit verbinden. Zögen wir tatsächlich nach Kalifornien, würden wir das milde Wetter geniessen, kein Zweifel. Doch schon ein Jahr später wäre unser gesamtes Lebensglück um kein Quentchen grösser geworden.