Coca-Cola

Die Coca-Cola Company, mit einer Bilanzsumme von 43 Milliarden Dollar, ist eine der erfolgreichsten der Welt. Ganz schön viel für ein Süsswasser. Aber tatsächlich war Coca-Cola schon immer mehr als das. Zum Beispiel Medizin: Als der Drogist John Pemberton am 29. Mai 1886 im Atlanta Journal für sein aus schwärzlichem Sirup zusammengerührtes Getränk warb, sollte Coca-Cola gegen Müdigkeit, Kopfschmerzen, Depressionen und sogar Impotenz helfen. Erfinder Pemberton sollte den Erfolg seines Wässerchens nicht mehr erleben – nur zwei Jahre später verkaufte er alle Rechte für 2300 Dollar an den Apothekengrosshändler Asa Candler. Der machte aus der Sirupküche ein Unternehmen und ging 1917 in die Politik. Eine gute Gelegenheit, die Aktien an seine Verwandten zu verteilen – aber insgesamt eine schlechte Idee, weil zwei Jahre später sein Sohn die Company, hinter dem Rücken seines Vaters, weiterverkaufte. Vom Unternehmen zum Weltkonzern wurde Coca-Cola erst unter dem neuen Präsidenten Robert Woodruff, der seinen Job 1923 antrat. Und heute gehört Coca-Cola zum Rückgrat der amerikanischen Wirtschaft und ist Teil des Dow Jones-Börsenindex.

Da sind Mythen nicht weit. Zum Beispiel der vom Kokain – angeblich enthielt Coca-Cola anfänglich Alkaloide aus den Kokablättern. Alles falsch, sagt die Company – reichlich halbherzig, weil der Ruch des Verbotenen ausgesprochen sexy ist. A propos sexy – angeblich ist die Flasche den weiblichen Rundungen nachempfunden. Alles falsch, sagt die Company – Vorbild war 1915 eine Vase von Tiffany. Und die typische Riffelung der Flasche geht gar auf einen glatten Irrtum zurück – ein Mitarbeiter der Glasmanufaktur verwechselte Koka mit Kakao, schlug im Lexikon die Kakaofrucht nach und goss am Ende die Form in Glas, die Wirtschaftsgeschichte geschrieben hat.

Desktop

Der Desktop ist auf Deutsch die Schreibtischplatte. Als Fachbegriff ist das Wort längst kein Fremdwort mehr – so heisst nämlich auch die Bildschirmfläche unseres Computers, auf der sich Programme und Dokumente ablegen lassen. Zwar prangt in einer Ecke stets der unvermeidliche Papierkorb, aber über diesen doch etwas realitätsfernen Umstand sehen wir grosszügig hinweg. Denn der Desktop ist eben kein richtiger Arbeitsplatz, sondern vielmehr ein graphical user interface. Das könnte ja auch ganz anders aussehen: In den Anfängen des Computers bestand es aus reinem Text, und der Papierkorb war ein dürrer Befehl namens rm (für remove) oder del (für delete).

Dann erkannten die Entwickler, dass sich nicht der Mensch dem Computer anpassen müsse, sondern umgekehrt. In den 1970-er Jahren entwickelte der Informatiker Alan Kay bei der kalifornischen Xerox-Tochter Parc die so genannte «Schreibtischmetapher» mit ihren gegenständlichen Piktogrammen: Notizblock, Aktenordner, Bleistift, Taschenrechner. Der Computer, bisher Werkzeug der Wissenschaft, sollte personal werden, und Kays Absicht war es, dieser abstrakten Welt des Digitalen ein sinnliches, intuitiv verstehbares Gesicht zu geben. Und so haben wir uns, Steve Jobs und Mac OS sei Dank, jahrzehntelang durch Büropuppenstuben geklickt, wo wir doch eigentlich arbeiten sollten.

Apps statt Programme, Inhalte statt Dateien, Tippen statt Klicken, Wischen statt Scrollen: Erst jetzt entwickeln Tablets und Smartphones neue Bedienungskonzepte. Auch das Nachahmen natürlicher Materialien, das Fachleute auf Griechisch «Skeuomorphismus» nennen –, ist zunehmend verpönt. Und so wird der Schreibtisch allmählich wieder zum Möbelstück, das er immer war.

Diderot-Effekt

Denis Diderot, der Pariser Aufklärer und Philosoph, war gelegentlich bei Marie Thérèse Geoffrin zu Gast, die für ihre literarischen Salons bekannt war, aber eben auch für ihre zudringlichen Gefälligkeiten. Diderot hatte Madame Geoffrin einen Gefallen getan, und sie schenkte ihm dafür einen neuen scharlachroten Hausrock. Das war fatal:

Mein alter Rock passte mir so gut, dass ich mich ausnahm wie von Künstlerhand gemalt,

schrieb Diderot 1768 in einem Essay:

Der neue, steif und förmlich, macht mich zur Schneiderpuppe. Ich sehe aus wie ein reicher Tagedieb.

Das Geschenk setzte einen Teufelskreis in Gang. Die schäbigen Möbel hatten wunderbar zum verschlissenen Rock gepasst. Doch nun verspürte Diderot das zwanghafte Bedürfnis, alte Möbel, die nicht mehr passten, durch bessere zu ersetzen – den Rohrstuhl durch einen Maroquinsessel, das schäbige Pult durch einen eleganten Sekretär, das schlichte Bücherbrett durch einen kostbaren Intarsienschrank.

Der kanadische Anthropologe Grant McCracken nannte dieses psychologische Phänomen 1990 den «Diderot-Effekt»: Der Kauf eines neuen Gegenstandes stört das zuvor harmonische Gesamtbild und zwingt zur Korrektur. Ein passendes Folgeprodukt wird angeschafft, das wieder zu stören beginnt und eine weitere Korrektur verlangt – eine Kettenreaktion des Konsums, die sich Marketing und Werbung mit immer noch begehrenswerteren Produkten zunutze machen und der man sich nur schwer entziehen kann. Es sei denn, man kommt wie Diderot zum Schluss:

Bewahrt eure alten Freunde. Mein Beispiel soll euch lehren: Die Armut hat ihre Freiheiten, der Reichtum seine Zwänge.

Diskette

Es ist noch gar nicht so lange her, da liess die Diskette die Welt Bauklötze staunen. Texte im Umfang halber Bibliotheken liessen sich bequem auf einer dieser futuristisch anmutenden Scheiben speichern und einfach so in die Tasche stecken. Die Diskette gaukelte eine beruhigende Physis der körperlosen Daten vor – jedenfalls solange kein Dateifehler ein Lesen unmöglich machte.

Die allererste Diskette stammte vom amerikanischen Ingenieur Alan Shugart und hatte Jahrgang 1969. Sie war für Grossrechner des Typs IBM S/370 bestimmt, fasste umgerechnet die Textmenge von 40 A4-Seiten und diente nur als preisgünstiger Träger der Systemsoftware. Beschreiben liess sie sich nicht. Das fand selbst der Tüftler Shugart unbefriedigend, und so erfand er Ende der siebziger Jahre die 5¼ Zoll grosse, biegsame Floppy Disk in ihrem schwarzen Pappmantel. Deren Nachfolger war die 1981 von Sony eingeführte 90-mm-Diskette im starren Plastikgehäuse, die am Ende die schier unvorstellbare Datenmenge von 1,4 MB speichern konnte – weniger als ein heutiges Handyfoto.

Die Diskette sollte sich ein volles Vierteljahrhundert lang halten – noch Windows 95, ein Meilenstein der Computerentwicklung, war auf insgesamt 13 Disketten lieferbar. Tempi passati. Auch an Disketten nagt der Zahn der Zeit, und selbst wenn sich die jahrzehntealten Daten heute noch lesen lassen, fehlen längst die Laufwerke. Und doch: So etwas wie Disketten gibt es immer noch. Sie heissen SD-Karten, als Abkürzung für Secure Digital Memory Card, sind so gross wie eine Briefmarke und fassen den Inhalt von 1,5 Millionen einstiger Floppy Disks.

Dow Jones

Wie will man, bei all dem Auf und Ab, das Geschehen an der Börse messen? Das fragte sich 1896 der amerikanische Journalist Charles Dow – und errechnete kurzerhand einen Index der damals zwölf wichtigsten Aktien. Namen wie aus dem Wilden Westen: da war die American Cotton Oil Company, oder die Tennessee Coal, Iron and Railroad Company. Charles Dow zählte die Kurse dieser zwölf an der New Yorker Börse gehandelten Unternehmen zusammen und dividierte, ganz einfach, wieder durch zwölf. Damit war er geboren, der Dow-Jones-Index, benannt nach Charles Dow und seinem Kollegen Edward Jones, beide Herausgeber des renommierten Wall Street Journal.

Heute setzt sich der Dow Jones aus 30 der grössten US-Unternehmen zusammen und ist sozusagen der Blutdruck der Weltwirtschaft. Und er macht vor allem von sich reden, wenn er fällt. Sein grösster Sturz an einem einzigen Tag war 570 Punkte oder über 25 Prozent tief – an jenem Schwarzen Montag, dem 19. Oktober 1987, den wir heute als Börsenkrach kennen.

Der Dow Jones ist heute gewichtet – nicht alle Aktien haben bei der Berechnung das gleiche Gewicht -, aber zusammen lesen sie sich wie das Who is Who der Weltwirtschaft: von McDonald’s und Coca-Cola bis zu IBM und Microsoft.

Der allererste Dow Jones, am 26. Mai 1896, lag bei 40,94 Punkten, und schon am 8. August desselben Jahres fiel er auf den tiefsten Wert aller Zeiten, auf 28,48 Punkte. Mehr als tausend Punkte beträgt der Dow Jones auf Dauer erst seit Anfang der Achtziger Jahre. Und heute gilt ein Fall des Dow Jones unter 10 000 Punkte bereits als Vorbote des Weltuntergangs.

Dabei ist er doch nur ein Durchschnittswert, der manchmal mit Wirtschaft weniger zu tun hat als mit angewandter Psychologie.